Beratungsstelle Extremismus: Thema “Tattoos und extremistische Hautbilder in rechtsextremen Milieus”

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Thema “Tattoos und extremistische Hautbilder in rechtsextremen Milieus”

Ein Anruf eines ehemaligen Rechtsextremen bei der Beratungsstelle Extremismus, der sich seine Nazi-Tattoos entfernen lassen möchte, war Anlass zu einer eingehenden Auseinandersetzung mit extremistischen Hautbildern in rechtsextremen Szenen.

Es gibt viele Gründe, warum Menschen Schmerzen in Kauf nehmen und ihrer Haut Nadeln, Tinte und Klingen aussetzen. Tätowierungen und andere Skin Mutilations (Verstümmelungen der Haut) stehen häufig für bestimmte Gruppenzugehörigkeiten, werden aus ästhetischen Gründen getragen, dienen als Unterscheidungsmerkmal und können ein Zeichen für Rebellion sein. Sie bilden auch politische und extremistische Haltungen, Genderrollen, Status, Trends und Subkulturen ab. In extremistischen Gruppierungen spielen Skin Mutilations eine wesentliche Rolle. Extremistische Codes findet man auf der Haut von Menschen aus den diversesten sozialen Milieus in Fußballstadion, an der Universität oder im Staatsballett. Sie sind keinesfalls ausschließlich eine soziokulturelle Praxis marginalisierter protestierender Männlichkeiten.

Die Haut als politische Bühne

Die Haut ist die äußerste Grenze unsere Leiblichkeit, erzählt reichlich über unser Inneres und repräsentiert unsere Identität. Für die Wahrnehmung durch Andere und unsere Umwelt ist sie von enormer Bedeutung. Tätowierungen auf der Haut sind eine Möglichkeit der politischen Stellungnahme. In rechtsextremistischen Milieus sind sie ein klares Bekenntnis für geschlechtliche und politische Zugehörigkeit, bringen Loyalität gegenüber der eigenen Gruppe, Stärke und Schmerzresistenz zum Ausdruck.
Laut dem Anthropologen Igor Eberhard von der Universität Wien, sei das Tattoo auf der Haut ein tiefgehendes menschliches Bedürfnis: „Oftmals ist es ein Zeichen für die Verbindung mit etwas Göttlichem oder ein Hinweis dafür, dass Jugendliche bereit sind, erwachsen zu werden. Außerdem kann damit das Erreichen eines besonderen Status zum Ausdruck gebracht werden.”1 Das Tätowieren der Haut ist ein Weg, das Persönliche und Aspekte multipler Subjektpositionen der Identität, wie Geschlecht, Herkunft, soziale und sexuelle (usw.) Zugehörigkeiten zum Ausdruck zu bringen. Wie man diese Zeichen liest ist abhängig vom persönlichen, soziokulturellen, gesellschaftlichen und historischen Kontext. Ultranationalistische und rechtsextreme Szenen sind sehr divers. Symbole. Codes, Akronyme und Slogans rechtsextremer oder deutschnationaler AkteurInnen werden am Fußballfeld, in Kampfsporthalten, auf Social Media oder am Tanzparkett zur Schau gestellt.

Verbotene Symbole

In Österreich wurde nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Verbotsgesetz nationalsozialistische Wiederbetätigung untersagt. Jegliche Symbole, Schriften und Druckwerke der NSDAP, ihrer Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK), ihre Verbände sowie alle nationalsozialistischen Organisationen sind in Österreich verboten.
Das Hakenkreuz ist ein historisches Symbol mit unterschiedlichen Bedeutungen. Durch die eindeutigen Bezüge zum Nationalsozialismus ist das Hakenkreuz in all seinen Ausführungen seitenverkehrt und als Negativ strafbar. Weitere strafbare Zeichen sind: das Frauenabzeichen der NS, das Keltenkreuz, Fap-Zahnrad, Oberarmgraudreieck, Sigrune – SS-Zeichen, Odalrune, SS-Totenkopf. Blood and Honour Division Deutschland (seit 2000 strafbar) wie auch der Wolfsangel und Triskele.
In Deutschland wurden in den 1990ern zahlreiche rechte Symbole und Logos verboten. Dies veränderte auch die Strategien rechtsextremer Szenen und Organisationen. Um die ideologischen Sinnbilder vor Verboten zu schützen, wurde mit Codes und versteckten Zeichen hantiert. Die wohl bekanntesten Zahlencodes sind 88 für Heil Hitler, 4/20 für Hitlers Geburtstag oder 18 für Adolf Hitler. Weit verbreitet sind Akronyme wie WAW „Weißer arischer Widerstand“; W.O.T.A.N. „Will of the aryan nation“ (engl. Wille der arischen Nation) oder Z.O.G. (J.O.G.) Zionist occupied Government / Jewish occupied Government” („Zionistisch /jüdisch okkupierte Regierung”).
Wer verfassungswidrige Tätowierungen aus der Zeit des Nationalsozialismus trägt, macht sich in Deutschland und Österreich unmittelbar strafbar, wenn diese im öffentlichen Raum zur Schau gestellt werden. Umso fraglicher ist der Polizeieinsatz beim Rechtsrockfestival in Ostritz am 24.06.2019. Ein Polizist unterstützte einen Neonazi beim Verstecken des in Deutschland verfassungswidrigen SS-Totenkopfes. Das Jüdische Forum veröffentlicht ein Video via Twitter, in dem der Polizist einem tätowierten Neo-Nazi dabei hilft, eine Armbinde zurechtzubinden, um das strafrechtlich relevante Motiv zu verdecken. Berechtigterweise wird die He1rangehensweise des Polizisten öffentlich scharf kritisiert, da eine Anzeige erfolgen hätte müssen. Doch die strafrechtliche Verfolgung erfolgte in Sachsen erst nachdem das Video viral ging.2
Die Orte, an denen Tätowierungen öffentlich zu Schau gestellt werden, sind vielfältig. Rechtsextreme nützen Konzerte, Kampfsporthallen oder das Fußballstadion, um ihre Inhalte zu verbreiten und neue AnhängerInnen zu rekrutieren.

Konzerte

Vor allem in Ostdeutschland hat sich die Anzahl an Konzerten und Festivals mit rechtsextremen Bands stark zugenommen. Neben den traditionellen Deutsch-Rock und NS-Hardcore Bands gibt es mittlerweile auch RapperInnen und PopinterpretInnen.
Ein Vertreter des rechts-nationalistischen Rapps, der sich über eine breite Fanbase freut, ist Chris Ares. Er stürmte im August 2019 mit einer Sammlung von seinen Liedern die I-Tunes-Charts.3 Er wirbt auf seiner Instagram-Seite offen für die rechtsextreme Kampfveranstaltung „Kampf der Nibelungen“ und ist bei einer Kundgebung der AfD (Alternative für Deutschland) aufgetreten. Er unterstützt in seinen Posts auf Social Media-Plattformen die Identitäre Bewegung, diese wirbt im Gegenzug für ihn. Zu seinen Tätowierungen am Arm zählen ein „Standhaft“ Schriftzug in altdeutscher Schrift und darunter ein stilisierter Spartaner mit Helm.

Boxstudios und Kampfsporthallen

Mittlerweile wurden verschiedene Kampfsportarten, allen voran die Kampfsportrichtung Mixed-Martial-Arts, kurz MMA, von der rechtsextremen und neo-nationalistischen Szene für sich entdeckt. Der Kampfsport wird als Vorbereitung für den „Straßenkampf“ gesehen, der als Schlüssel für eine Revolution gegen die „linke Mehrheitsgesellschaft“ gesehen wird. 4 Rechte Kampfsportevents wie der jährlich stattfindende „Kampf der Nibelungen“ in Deutschland, werden von der militanten Neonaziszene Europas als Austauschplattform und Treffpunkt für ein sportliches „Kräftemessen“ genutzt.
Im Laufe der letzten Jahre hat eine starke Vernetzung der regionalen Neonaziszenen stattgefunden, die den Kampfsport als Plattform nutzt, um vor allem für jüngere potenzielle Mitglieder attraktiver zu werden. Die Gruppe „Wardon 21“, kurz W21, ist eine Plattform, die Kontakt zu neonationalsozialistischen Gruppen in Österreich, Schweiz und Deutschland pflegt. Ein bekanntes Mitglied von W21 ist der in Österreich lebende Ralph Schießl. Er ist außerdem ein Liedsänger der Band „Terrorsphära“, eine aus Osttirol stammende NS-Hardcore Band. Zu seinen Tätowierungen zählen ein Sonnenrad und zahlreiche Motive aus der nordischen Mythologie.5

Fußballstadion

Tätowierungen stellen für viele Mitglieder eines Fanclubs eine Möglichkeit dar, ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zu festigen und nach außen darzustellen. In Österreich wurden in der Vergangenheit sowohl die Fankurven bei der Rapid Wien und der Austria Wien von rechtsextremen Gruppierungen als Rekrutierungsplattform genutzt. Es entstanden gewaltbereite Fanclubs, die ihre Affinität gegenüber den Werten des Nationalsozialismus offen zur Schau stellten. Eine seit 2013 vom Verein ausgeschlossene Fangruppierung bei Austria Wien ist „Unsterblich Wien“. Die Mitglieder stellen ihre rechtsextreme bis neo-nationalsozialistische Gesinnung bei Auswärtsspielen offen zur Schau, ob nun bei ihrem Fanclubsymbol, ihren Transparenten, ihrer Kleidung oder Tätowierungen. Ihr „Fetzen“, das Transparent, das den Stammplatz eines Fanclubs auf der Fantribüne markiert, zeigt die Adaption einer Reichsfahne. Das Hakenkreuz wurde dabei durch das Vereinslogo der Austrias Wien ersetzt und die Farben wurden den violetten Vereinsfarben angepasst. Ein beliebtes Tattoo Motiv der Gruppe ist der SS-Totenkopf, eine Schwarze Sonne oder das Keltenkreuz. Auch abseits sind Mitglieder dieser Gruppe bei rechtsextremen Demonstrationen und Konzerten anzutreffen.6
Auf der Seite des Stadtrivalen Rapid Wien, gab es in der Vergangenheit ebenfalls neo-nationalistische Bestrebungen. Die „Hütteldorfer Terrorszene“, eine ehemalige Fangruppe bei Rapid in den 1980er Jahren, wurde von Gottfried Küssel, eine Schlüsselfigur der Neonaziszene im deutschsprachigen Raum, als Vorfeld-Organisation genutzt.7 Eine gemeinsame politische Gesinnung lässt außerdem einige rechtsextremen, gewaltbereiten Fußballfans beider Vereine die Vereinsfeindschaft untereinander vergessen. So wurde ein Zusammenschluss unter den Namen „Eisern Wien“ gegründet, das Symbol der Gruppe bildet das Wienwappen mit einem SS-Totenkopf in der Mitte.8 Ein bekanntes Gesicht, das die ehemalige Zugehörigkeit zu dieser Gruppe durch seine Tätowierungen offen zur Schau stellt, ist der Thaiboxer Henry Bannert. Der Schriftzug „Eisern Wien“ auf seinem Bauch, der Schriftzug „Honour“ am linken Unterarm und das Keltenkreuz am linken Oberarm, drücken seine damalige Gesinnung aus.
Das Kolovrat-Symbol, ein slawisches Hakenkreuz, ist nicht nur ein weitverbreitetes Symbol in Fußballstadien und auf rechtsextremen Demonstrationen, sondern befindet sich auch auf dem Bauch des berühmten ukrainisch-russischen Balletttänzers Sergei Polunin.9

Rechte Flügel am Tanzparkett

Das Kolovrat-Symbol ist ein achtgliedriges, sowohl links- als auch rechtsdrehendes Hakenkreuz, welches in den russischen und internationalen Neonazi-Szenen beliebt ist und im SS-Kontext nachgewiesen werden konnte. Sergei Polunin führt die Sonnensymbolik des Kolovrat auf die slawische Sonnengottheit Svarog zurück. Polunin ist vermutlich kein Neonazi, jedoch mit Sicherheit ein Sexist und homophober Mann, der etliche nationalistische Symbole auf der Haut und Vladimir Putins Portrait am Brustbein trägt und somit zu einer Normalisierung eines rechtsextremen Symbols beiträgt. Einen weiteren Beweis für Polunins heteronormativen „Männlichkeit“ sind die selbst zufügten Narben, die den Anschein erwecken durch einen Bärenkampf verursacht worden zu sein. Den emotionalen Wert der Narben begründet der Tänzer nicht ideologisch, sondern persönlich. Anders ist dies in Burschenschaften, wo Schmisse (Narben vom Fechten) Zeichen eines männlichen Hautbildes sind. Mindestens ebenso zentral sind sie Ausdruck einer Zugehörigkeit zu einer speziellen gesellschaftlichen Schicht: jener der Akademiker.

Skin Mutilations unter rechten Akademikern

Mensuren sind Fechtkämpfe, welche unter strengen Bedingungen und Reglementierungen zwischen zwei Mitgliedern einer Studentenverbindung abgehalten werden. Die mit scharfen Waffen ausrüsteten männlichen Hochschüler werden in der Rolle als Fechter Paukanten genannt und sind während des Fechtens bis auf Teile ihres Gesichtes und Kopfes geschützt. Das Mensurfechten zielt auf Schnittverletzungen und Narben im Gesicht ab. Beim Kräftemessen ist der Sieg nicht vorrangig. Eher geht es um die „aufrechte“ Teilnahme, die Beherrschung, Verbrüderung, Moral, Abenteuer und das Durchhalten. Der Schmiss, die in einer Mensur davongetragene Schnittverletzung vorrangig im Gesicht, war bis zum Ende des Nationalsozialismus ein typisches Erkennungsmerkmal des deutschnationalen Akademikers und ist heute eher eine Seltenheit und gilt zum Teil als antiquiertes Abzeichen männlicher Privilegiertheit, Konservativismus und Nationalismus. So wie die inszenierten Krallenspuren auf Sergej Polunins Haut stolze Kampfnarben suggerieren, hat es auch unter Akademikern Methoden gegeben, die Narbenbildung von Schmissen zu verstärken (Einreiben mit Salz oder Öffnen verheilter Narben), mit dem Ziel symbolisches Kapital zu erlangen
Martialische Sinnbilder von Männlichkeit treffen in den unterschiedlichen Szenen und Milieus auf ihre weiblichen Pendants.

Von Taylor Swift, Miss Hitler Contest und Erotikmessen

Blonde, ungeschminkte und scheinbar natürliche Frauengestalten werden als erotisches Ideal in rechtsextremen Szenen und der „Alt-Right“-Bewegung gepriesen. Die US-amerikanische Sängerin Taylor Swift wurde unfreiwillig zur weiblichen Nazi-Ikone in den USA. Rechtsextreme Blogger wie Milo Yiannopoulos verherrlichen ihre konservative Ausstrahlung und loben die vermeintliche Unterwanderung der Mitte durch Swift. So wird konspirativ behauptet, dass Mithilfe ihrer Musik konservatives und rassistisches Gedankengut möglichst weite Kreise ziehen könne. Für die amerikanische Neo-Nazi Szene im Internet ist es eindeutig: Im tiefsten Inneren ist Taylor Swift ein Nazi. Äußerlich ist sie aufgrund ihrer phänotypischen Merkmale eine „arische Gottheit“. Ihre Haut: Blass, makellos und unversehrt.10
Trotz der Verherrlichung arischer Schönheitsideale, der Wahrung rollentypischer Zuständigkeiten wie Haushalt und anderer Care-Tätigkeiten sind Tattoos, die auch öffentlich zur Schau gestellt werden, bei rechtsextremen Frauen ein steigender Trend. Die naturalisierte bzw. vermeintlich natürliche Ungleichheit zwischen Männern und Frauen und die damit einhergehende Hierarchisierung zwischen den Geschlechtern lassen sich am den Hautbildern festmachen. Angry white girls beziehen zunehmend Stellung zu ihren rechtsextremen Weltbildern und drücken dies durch Tattoo-Nadel und Tinte aus.
Das britische Neonazi-Postergirl und Pro-Brexit Aktivistin Eva Van Housen 11 trägt ein Hakenkreuz auf ihrer rechten Brust. Weit oben auf ihrem rechten Oberschenke, in Strumpfbandhöhe, präsentiert sie auf Social Media einen Reichsadler mit Hakenkreuz, an einer weiteren Stelle ein Zitat Adolf Hitlers. Eva Van Housen, die mit bürgerlichem Namen Jenna Smith heißt, ist eine neo-nazistische Frau, die ihre ideologische Verortung und politischen Aktivismus stolz und laut in die Öffentlichkeit trägt.
Ein „Schönheitswettbewerb für Sympathisantinnen und Ideologinnen des Nationalsozialismus ist der „Miss Hitler Contest“. Nach dem Motto „Showing beauty of Hitlerian culture“ inszenierten sich zahlreiche neonazistische und rechtsextreme Akteurinnen aus Deutschland, Italien, Russland, Ukraine und den USA.
Der hitlerische Schönheitskult reicht von konservativen Frauenbildern nach dem Vorbild von Eva Braun über wildromantisch ungeschminkte Wiesenmädchen und erotische Poserinnen in Naziuniformen bis zu blutbespritzten Krankenschwestern mit Hitlergruß.
Unter dem Namen „Buchenwald Prinzessin“ nahm Alice Cutter am Miss Hitler Contest 2018 teil, der von VKontakte, dem russischen Äquivalent zu Facebook gehostet wurde.12 Die derzeitige Terrorverdächtige Britin ist Mitglied der in Großbritannien verbotenen Terrororganisation National Action. Sie posiert mit Schusswaffen, gespitztem Schmollmund und lasziven Blicken vor Hakenkreuzfahnen.

50-Shades of Brown

Auch aus der Erotik- und Tattoo-Model-Branche lassen sich einige Skandale in Bezug auf Nazi-Tattoos berichten. Die deutsche Domina Charlize präsentiert ein NS-Symbol welches dicht in einen Totenkopf ragt, SS-Runen und dem Schriftzug „Fuck The System“ auf der linken Seite ihres Oberschenkels.13 Domnia Charlize ist eines der Gesichter der Venus Erotikmesse, jedoch wussten die VeranstalterInnen laut Berliner Zeitung nichts von der Tätowierung. Die Domina fühlte sich falsch verstanden und wolle sich nun das Tattoo überstechen lassen, denn als Perserin sei sie „absolut nicht rechts“.
Auch das Tattoo-Model Michelle „Bombshell“ McGee 14 bestreitet eine Neonazistin zu sein. Sie polarisiert jedoch mit einem Nazi-Fotoshooting, den tätowierten Initialen WP (White Power) auf ihren hinteren Oberschenkeln und einem Swastika-Reichsadler auf ihrem Geschlechtsteil. Nach Bekanntwerden ihrer Tätowierung bedauerte sie öffentlich das Hakenkreuz und ebenfalls das Nazi-Shooting.

Ideologische Gewalt in sexualisierter Form

Festzuhalten bleibt: Weder Tattoos, noch Neonazismus sind reine Männersache. Auffällig bleibt jedoch, dass tätowierte rechtsextreme Frauen, die diese in der Öffentlichkeit zeigen, prominente und aktive Rollen einnehmen und oftmals in Ideologen- und Kadernähe stehen. Die hypersexualisierten und fetischisierten Auftritte und Rollenverständnisse tätowierter neonazistischer Frauen werfen geschlechtspolitisch spannende Fragen auf. Symbole des Nationalsozialismus so nah oder direkt an biologisch-weiblich konstruierten Geschlechtsteilen zu platzieren, bedarf einer ausführlicheren Analyse. An dieser Stelle kann erwogen werden, dass die hypersexualisierte Ausdrucksform nationalsozialistischer Ideologie eine bewusste Strategie ist, Frauen an ihren vermeintlich „natürlich“ untergeordneten Platz zu verweisen. Aber nicht ausschließlich. Mit der hypersexualisierten Platzierung und Inszenierung von Tattoos, wie Hakenkreuze im Vaginalbereich, Reichsadler-Strumpfband oder White-Power Arschgeweih brechen Frauen mit der maskulinen Zuschreibung von Tattoos und deklarieren sich klar zu ihrem „weiblichen Geschlecht“. Die Hypersexualisierung ist nicht nur als Antithese zum „Feminismus“ zu verstehen, sondern steht zugleich für Rebellion und „Empowerment“. Durch das klare Bekenntnis zur Ideologie und die gleichzeitige Inszenierung von Weiblichkeit werden Neonazistinnen zu politischen Mitstreiterinnen in stark autoritär-maskulinen Räumen. Dadurch lassen sich Gewinnseiten und symbolisches Kapital für die politischen Bestrebungen der Akteurinnen generieren. Auffallend bleibt, dass Sexualisierungen die politisch-begründete Motivforschung und Frauen als politische Subjekte in den Hintergrund rückt und oftmals ausklammert. Sexy Posieren macht Frauen jedoch nicht weniger politisch. Die ideologische Gewalt zirkuliert in sexualisierter und fetischisierter Form in den medialen Kanälen, hierbei geht es nicht um das Ausleben sexueller Bedürfnisse, sondern um die Verbreitung ideologischer Gewalt in sexualisierter Form. Berichten zufolge versuchte die Terrorismusverdächtige Neonazistin Alice Cutter durch ihre sexy Inszenierungen Mitglieder über die VK-Seite des Miss Hitler Contest anzuwerben. Dies gehört mitunter zur gezielten und strategischen Ausweitung des Gewaltradius neonazistischer Frauen.
Egal ob sexualisiert, fetischisiert, durch Nadel und Tinte zum Ausdruck gebracht und in die Öffentlichkeit getragen, ob als nicht tätowiertes rechtes Mädchen von nebenan, Kameradinnen von der Heide, hausgebackene Volksmamas, Mandatsträgerinnen in rechtsextremen Parteien oder kleinbürgerlich getarnt: Es eint sie der Kampf für ihre Nation, Heimatschutz und ihr Rassismus. Sie alle teilen biologische Weltbilder und stehen naturgemäß unter „ihren Männern“. „Natürlich“ und „rassisch“ überlegen bleiben sie „anderen“ Menschen gegenüber und richten auch ihre Abwertungshaltungen gegen sie. Figurationen dieser Abwertungshaltungen und Weltbilder gespickt von Ideologien der Ungleichheit wie Rassismus, Sexismus, Homophobie, Klassismus (etc.), befinden sich allerdings nicht nur auf der Haut von RechtsextremistInnen, sondern reichen bis tief in die Strukturen und Poren der gesellschaftlichen Mitte.

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Hier gelangen Sie zu weiteren Themenschwerpunkten

1 https://kurier.at/chronik/oberoesterreich/viele-taetowierer-arbeiten-illegal/277.691.804

2 https://www.rtl.de/cms/ostritz-verdeckt-polizist-hier-das-verbotene-tattoos-eines-neonazis-4361069.html

3 https://www.belltower.news/ib-social-media-strategien-aerger-im-internet-fuer-identitaere-rapper-und-medienmacher-89145/

4 https://www.deutschlandfunkkultur.de/rechtsextreme-kampfsportler-rechter-haken.966.de.html?dram:article_id=432288

5 https://runtervondermatte.noblogs.org/koerper-zu-waffen-fleisch-zu-stahl-der-heureka-kongress-und-dessen-initiierende-gruppe-wardon21/

6 http://recherchewien.nordost.mobi/2015/02/unsterblich-wien-12/

7 https://www.vice.com/de_at/article/nep8nm/wiener-austria-neonazis-zeigen-reichskriegsflagge-und-brullen-rassistische-parolen

8 https://www.vice.com/de_at/article/nep8nm/wiener-austria-neonazis-zeigen-reichskriegsflagge-und-brullen-rassistische-parolen

9 https://www.zeit.de/kultur/2019-02/sergei-polunin-taenzer-politische-korrektheit-kunst-ueberzeugung-moral

10 https://www.vice.com/de/article/ae5x8a/wie-taylor-swift-zur-neonazi-ikone-wurde

11 https://www.dailymail.co.uk/news/article-3625503/The-neo-Nazi-swastika-breast-Vote-Leave-badge-vest-Holocaust-deniers-EDL-fascists-posing-Kray-twins-grave-violent-thugs-racists-hijacking-Brexit-campaign.html

12 https://www.theguardian.com/world/2019/mar/20/woman-entered-miss-hitler-contest-to-gain-female-recruits

13 https://www.bz-berlin.de/berlin/domina-zeigt-hakenkreuz-tattoo-bei-venus

14 https://www.cbsnews.com/news/michelle-bombshell-mcgee-nazi-pics/